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Der rechtliche Rahmen für die Versorgung

Einblicke in das Vertragsarztrecht

Muss es so viele Gesetze, Verordnungen und Richtlinien für die ambulante VersorgungWeiterlesen geben? Könnte das VertragsarztrechtWeiterlesen nicht weniger umfangreich sein? Bestimmt, aber: Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beliefen sich 2022 auf knapp 300 Milliarden Euro. Mehr als 46 Milliarden Euro davon waren für ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen nötig. Das braucht Regelungen. KrankenkassenWeiterlesen und Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) müssen dafür zig Dinge beachten. Und weil es noch möglichst gerecht zugehen soll, ist das VertragsarztrechtWeiterlesen eben sehr umfangreich.  Zudem wurde seine Basis 1955 gelegt – seitdem waren viele Anpassungen erforderlich.

Die wichtigsten Begriffe und Inhalte rund um das Vertragsarztrecht

So umfangreich es auch ist, bestimmte Begriffe fallen immer wieder. Und bestimmte Prinzipien sind prägend für diesen Rechtsbereich. Eine Übersicht zum Einstieg.

Recht nicht nur für Ärzte

Der Begriff „Vertragsarztrecht“ ist ein bisschen irreführend. Ambulant tätige PsychotherapeutinnenWeiterlesen und PsychotherapeutenWeiterlesen sind heute ebenfalls Mitglieder in den KVen. Also gilt vieles auch für sie. Strenggenommen müsste es heißen: „Vertragsarzt- und Vertragspsychotherapeutenrecht“. Aber es wird eben gern abgekürzt.

Der Begriff „Vertragsarztrecht“ fällt zudem häufig, wenn von Kapitel 4 des Sozialgesetzbuchs (SGB) V die Rede ist. Dessen lange Überschrift lautet „Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern“. In den vielen Paragrafen dazu geht es nicht nur um Ärztinnen und Ärzte. Sondern auch um PsychotherapeutinnenWeiterlesen und PsychotherapeutenWeiterlesen, Zahnärztinnen und Zahnärzte und teilweise Krankenhäuser. Doch in dem Kapitel ist viel zu den Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und ambulanter Ärzteschaft bzw. ihren Organisationen festgelegt. Es umfasst tatsächlich einen großen Teil des Vertragsarztrechts. 

Normen für alle

Kapitel 4 SGB V und weitere Verordnungen, Richtlinien, Verträge und Satzungen bilden die sogenannten öffentlich-rechtlichen Normen für die ambulante ärztliche und psychotherapeutische Versorgung von GKV-Versicherten. Dazu gehören auch Regelungen zur Bezahlung. Egal wo und von wem Patientinnen und Patienten versorgt werden: Daran müssen sich alle halten.

Gemeinsam ist Pflicht

Geprägt ist das VertragsarztrechtWeiterlesen vom Gedanken der Selbstverwaltung (siehe auch: Unsere Arbeit). Viele seiner Inhalte werden in gemeinsamen Gremien zwischen Vertretern von Ärzte- und Psychotherapeutenschaft und Krankenkassen erarbeitet, verhandelt, beschlossen. Beispiele: Der Gemeinsame Bundesausschuss, Zulassungsausschüsse für Arztsitze, der Bewertungsausschuss auf Bundesebene für Honorarfragen. Im Streitfall entscheiden teilweise Schiedsämter.

Recht von oben nach unten

Diese gemeinsame SelbstverwaltungWeiterlesen ist in ein abgestuftes Regelwerk des Rechts eingebettet. Es wird oft als Normenpyramide bezeichnet.   

  • Nummer eins: der Gesetzgeber. Ganz oben stehen Entscheidungen des Gesetzgebers fürs Gesundheitswesen, also von Bundestag und Bundesrat. Ihre Umsetzung kann nicht von KVen oder Krankenkassen verweigert werden, außer nach erfolgreichen Gerichtsverfahren. Ein Beispiel. Der Deutsche Bundestag beschließt mit Zustimmung des Bundesrats in einem Gesetz: Ärzte und PsychotherapeutenWeiterlesen müssen in Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren mindestens 25 Wochenstunden für Sprechstunden anbieten – zumindest, wenn sie einen vollen VersorgungsauftragWeiterlesen haben. Dann können KVen und Landesverbände der Krankenkassen keinen Vertrag schließen, in dem sie für ihr jeweiliges Bundesland 20 Stunden festlegen.
  • Nummer 2: das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Es kann Verordnungen erlassen, teils mit, teils ohne Zustimmung des Gesetzgebers. Und damit ebenfalls Recht für alle setzen. Manche VerordnungWeiterlesen passt auf eine halbe DIN A4-Seite. In der Vergangenheit beispielsweise, dass ab Tag X in Praxen keine Coronatests mehr von den Krankenkassen finanziert werden. Andere BMG-Verordnungen sind so umfangreich und abstimmungsintensiv wie große Gesetze, so die Ärztliche Approbationsordnung. Danach werden Medizinstudierende ausgebildet.
  • Nummer 3: der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Seine Richtlinien zählen per Gesetz automatisch mit zum VertragsarztrechtWeiterlesen. Der G-BA ist das einflussreichste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung. Er wird von den großen Dachorganisationen im GKV-System gebildet, darunter auch der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Richtlinien des G-BA umfassen alles, was GKV-Versicherte an Versorgung benötigen: ambulante VersorgungWeiterlesen, Medikamente, Krankenhausbehandlung, Krankenpflege, Reha-Leistungen, Krankentransporte und noch viel mehr (siehe auch: Unsere Partner). Hält das BMG eine Richtlinie aus rechtlichen Gründen für falsch, kann es sie beanstanden und Nachbesserung verlangen. Meist ist das nicht der Fall. Doch G-BA und BMG haben sich durchaus schon heftig gestritten und sogar vor Gericht beklagt.
  • Nummer 4: KBV und KVen sowie Partner. Unterhalb der Regelungsebene des G-BA werden manche Angelegenheiten der ambulanten VersorgungWeiterlesen auf Bundes-, manche auf Landesebene geregelt. So vereinbaren KBV und GKV-SpitzenverbandWeiterlesen auf Bundesebene mit Gültigkeit fürs ganze Land den Inhalt des sogenannten Bundesmantelvertrags (BMV). Er ist automatisch Teil des Vertragsarztrechts. Der BMV garantiert bun­desweit einheitliche ärztliche Standards. Vertragsärztliche Versorgung und Qualität sollen einheitlich und gut sein.

Auf Landesebene schließen die Landesverbände der Krankenkassen mit der jeweiligen KVen die sogenannten GesamtverträgeWeiterlesen ab. Darin ist immer der Inhalt des Bundesmantelvertrags enthalten. Zusätzlich können KVen und (einzelne) Krankenkassen noch weitere Verträge schließen. Beispiele aus der KV Berlin:

Baby on time: Der Vertrag mit der AOK Nordost soll die Versorgung von schwangeren Frauen verbessern und zur Vermeidung von Frühgeburten beitragen.
OrthoHeroBKK: Ein Vertrag über eine ärztlich verordnete und kontrollierte, app-gestützte Bewegungstherapie
VorsorgePlus: Ein Vertrag mit KKH und HEK zur Förderung ärztlicher Vorsorgeleistungen

Karte statt Geld

Zu den Grundsätzen des Vertragsarztrechts gehört auch, dass gesetzlich Krankenversicherte im Krankheitsfall sogenannte Dienstleistungen (wie ärztliche Hilfe) oder SachleistungenWeiterlesen (wie Medikamente) erhalten. Sie bezahlen zwar allgemeine Beiträge an ihre KrankenkasseWeiterlesen. Aber sie bezahlen ihre behandelnde Ärztin oder ihren PsychotherapeutenWeiterlesen nicht direkt. Es gilt das Sachleistungsprinzip: Versicherte erhalten Sach- und Dienstleistungen. Abgerechnet wird später zwischen Arzt/Psychotherapeut-KV bzw. KV und KrankenkasseWeiterlesen.

Kollektivvertragssystem

Das VertragsarztrechtWeiterlesen sieht zentrale Regelungen zwischen KVen bzw. KBV und Krankenkassen(verbänden) vor. Sie gelten für alle Mitglieder in den KVen, also ambulante Ärzte- und Psychotherapeutenschaft, sowie 73 Millionen GKV-Versicherte. Deshalb spricht man von Kollektivverträgen. Ziel ist eine einheitliche rechtliche Basis für die Patientenversorgung. Und: Durch die kollektiven Regelungen im Hintergrund müssen Ärzte, PsychotherapeutinnenWeiterlesen, Krankenkassen, Patienten nicht in jedem einzelnen Behandlungsfall einen eigenen Vertrag schließen – elektronische Gesundheitskarte genügt.

In bestimmten Bereichen sind jedoch auch SelektivverträgeWeiterlesen erlaubt. Sie gelten dann nur für Teile der Krankenkassen und Ärzte bzw. PsychotherapeutenWeiterlesen und können auch ohne Beteiligung einer KV geschlossen werden. Ein Beispiel sind Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung. Hier ist der Deutsche Hausärztinnen- und Hausärzteverband Vertragspartner der Kassen.

Letzte Änderung: 11. März 2024